Quelle

Jetzt taucht mein Auge in dich ein,
in tiefes Blau, glasklar und rein –
taucht hindurch in deinem Sog,
der mich seit jeher an sich zog.
Noch tiefer ich in Tiefen schau,
noch intensiver wird dein Blau –
lebendger Quell aus engem Schlund –
wie un-ergründlich ist dein Grund,
wie un-ermesslich deine Kraft,
dass Wasser sich nach oben schafft
und sich zum Lebensquell ergiesst,
denn Leben lebt nur, wo du fliesst.

Ein Geheimnis, wie du bist,
das kein Mensch er-fasst, er-misst.
In Ehrfurcht stammelt dir mein Mund:
Geheiligt bist du, tiefster Grund,
aus dem ein Strahl von lauter Licht
des Wassers Blau in Leuchten bricht –
in tiefstes Weiss hinein – bis ganz
zum tiefsten Punkt wird reiner Glanz.
Ein weisser Punkt von reinstem Licht –
weiter blickt mein Auge nicht…

Hier steht mein Schauen, steht mein Wort,
denn un-ergründlich ist der Ort,
der hinter sichtbar tiefstem Grund
sich verbirgt vor Aug und Mund.
Nicht fass- und messbar Raum noch Zeit
des Quellgrunds: Hier ist Ewigkeit.
An diesem tiefsten Punkt in mir
entspringt die Quelle, Herr, aus Dir –
und strömt empor seit jenem Tage,
an dem ich deinen Namen trage.


Marlies Frast
1984

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