Philosophironie – Beitrag zum MAE-Alumnifest

Als Appetizer – just für Sie –
ein Schuss Philosophironie
als Exkurs vermittelst Lupe
am Exempel einer Suppe
mit einem isolierten Haar
das augenscheinlich darin war…
Es ist des Philosophen Suppe,
dem in erlaucht-gelehrter Gruppe
das Haar unmerklich zugeschwommen,
doch ist ihm dieses hoch willkommen
als Casus, haar-scharf zu studieren,
Haar zu spalten, konkludieren.

Das Schwimm-Objekt wird erst stringent
wissenschaftskonform getrennt
betrachtet nach der Urteilskraft
Natur- und Geisteswissenschaft.
Der Physiker sucht nach dem Fakt,
der Philosoph nach dem Abstrakt
und describiert das Horn-Produkt
vom Wesen her als Seins-Konstrukt,
und nach seiner Präferenz
zählt Substanz und Akzidenz.
Sein Denkprozess ist nicht nur logisch,
sondern tiefen-ontologisch.

Der Physiker mit Akribie
erforscht gezielt die Empirie:
Gewicht und Form im Suppen-Test?
Ist die Farbe wasser-fest?
Beschaffenheit und Konsistenz,
Bewegung, Hitze-Resistenz. –

Nicht Empirie und Arithmetik –
der Philosoph sucht Diät-ethik.
Das philo-ethisch Relevante
als substanz-essentiell Erkannte,
dann: nichts wie los auf das Objekt
methodologisch durch-ge-checkt.
Fremdwörter-trächtig und kompakt
verbal ästhetisch eingepackt,
akademisch geschliffen von der Sorte
geflügelter Insider-Termini-Worte,
ein Deutsch, durchzogen anglisiert,
im Wortfluss-Tempo hoch frisiert,
Fachkompetenz auf hoher Latte,
hebt das Niveau der Debatte.

Ein Dritter ahnt nichts von Thematik
der Philo-Rede-Akrobatik,
versteht nicht Sinn und Kohärenz
doch angetan von Kompetenz -
kein Deut von normativer Würze -
wünscht Fach-Chinesisch sich in Kürze,
denn was noch fehlt zu seinem Glücke:
das Schliessen seiner Bildungslücke.

Die Ethik sei ihm hierzuland
als Leichtathl-Ethik schon bekannt,
und Diät-Ethik sei die Richtung
von der Über- und Unter-Gewichtung,
Pflichten- und Un-Tugend-Ethik
mit dem goldnen Kalb Genetik…
Verstehe man die Disziplinen,
lasse es sichs gut verdienen
und die Herren wie die Damen
profilierten ihren Namen.
Der Wissenschaftler weiss und kennt:
ob wahr, ob falsch – das Argument
und dessen Überzeugungskraft
krönt die Debatte - wenn ers schafft!

Zur Gunst der Stunde für das Haar
zählt, dass der Sud selbst trübe war.
Der Philosoph nichts lieber wünschte
für Meta-Ethik-Gourmet-Künste
und präferiert im Sprach-Gebrauch
den Kompromiss „sowohl als auch…“
wischt weg vom Tisch sehr sattelfest -
das „Entweder - oder…“ – ohne Rest.
So konstruiert er die Prämisse
von Einem, der kein Haar vermisse,
da selbst der Lage nicht gewahr,
dass um ein Haar er leichter war.
Von einem Scheitel fiel die Bürde
mitsamt der inhärenten Würde,
selbstbestimmt und autonom
schwamm nun das Haar gebrüht davon.
Zu fragen er es unternimmt:
Was heisst moralisch selbstbestimmt?

Das echte Philo-Argument
tendiert aufs Lösungs-Open-End:
Wenn das Haar im Teller schwimmt,
dann ist die Handlung selbstbestimmt,
dieses gilt sowohl …als auch
bei Rückenlage oder Bauch-,
vorwärts, rückwärts und im Kreis,
soviel man trieb-dynamisch weiss.
Selbst Femina-kapillar-Energie
hat Anspruch auf Wesens-Autonomie. -
Die koryphäe Conclusion
fällt mystisch-pastoral im Ton.

Der Philosoph mit Sachverstand
blickt übern Suppenteller-Rand
und prospektiviert mit wenig Mühe
die These noch zu Haar und Brühe,
als ein Entsetzen ihn erfasst:
haaresbreit nicht aufgepasst! –
Das Haar, diät-ethisch aufgetischt
hat er im Löffel mitgefischt,
nicht selbst-bestimmt, doch selbst verschluckt -
dies haar-scharf vor sein Buch gedruckt. -

Da der Denker aspiriert,
bleibt vorerst der Diskurs sistiert.
Im Casus mit dem Haar-Un-Fall
ist nun der Kliniker am Ball.

 

Marlies Frast
2006

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